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Der Agroforst - Lebensmittelerzeugung der Zukunft?

Agroforstsysteme: Eine Lösung für viele Probleme Die Suche nach Lösungen für die vielfältigen Herausforderungen unserer Zeit führt die Menschen nicht selten zurück in alte Zeiten und zu fast verloren gegangenem Wissen. Und ebenso häufig beschert der Blick über den Tellerrand Möglichkeiten, derer sich andere Kulturen seit Jahrhunderten hocherfolgreich bedienen. Die Kombination von Acker- und Waldwirtschaft, kurz Agroforst, ist eine solche Möglichkeit.


Im Maistream wird das Konzept nun wohl durch die von Disney+ produzierte Serie über die Landwirtschaftsrebellion von Gut&Bösel bekannter werden, aber einige andere Pioniere sind auch in Deutschland schon länger an dem Thema dran. Die Serie habe ich noch nicht geguckt, die hebe ich mir für eine etwas entspanntere Zeit auf. Die 3000 Hektar von Benedikt Bösel und seinem Team kenne ich auch noch nicht, aber ich habe inzwischen nicht nur private, kleine Waldgärten, sondern auch meinen ersten Agroforst geplant und in die Umsetzung gebracht und ich bin sowohl tief fasziniert als auch der Überzeugung, dass dieses Konzept den Wandel begleiten, wenn nicht sogar bringen wird. Was macht dieses System also so zukunftsfähig?


Was ist das Problem unserer konventionellen Landwirtschaft? Die Natur mag keinen offenen Boden, denn Boden ohne Pflanzen ist bald toter Boden. Die Trennung offener, ackerbaulich genutzter Flächen von den Wäldern (und vom direkten Lebensumfeld der meisten Menschen) ist so wider die natürlichen Systeme, dass sich eine große und komplexe Vielzahl an Problemen für den Menschen, die Tiere, den Boden und die Pflanzen, sprich ganze Ökosysteme, daraus ergeben. Der Mensch hat das lange nicht gespürt, inzwischen merken wir die Auswirkungen jedoch alle. Denn tatsächlich ist die Landwirtschaft aufgrund einer schier unvorstellbaren Menge von eingesetztem Dünger und Pestiziden, freigesetztem CO2, Bodenerosion, Grundwasserverschmutzung und einigem mehr einer der größten Klimakiller (2015 - 34% der weltweiten CO2-Emission aus der Landwirtschaft). Die Folgen sind zusammengefasst:

  • ausgelaugte Böden mit wenig Nährstoffen, noch weniger Wasser und ihrer Speicherkapazität für beides beraubt

  • ein dramatischer Artenrückgang

  • CO2-Ausstoß

  • Bodenerosion durch Wind, Regen, Hochwasser

  • Überhitzung

  • Vergiftung des Bodens, der Tiere und des Endkonsumenten

  • Grundwasserrückgang und - verschmutzung

  • Verschmutzung von Flüssen und Seen, Eutrophierung (Nährstoffüberfluss durch eingetragene Düngemittel führt zum "Umkippen" der Gewässer)

  • Schutzfunktion vor Klimaextremen wird nicht erfüllt




Ein gesundes Ökosystem dagegen funktioniert nicht nur CO2-neutral, nein, es bindet immense Mengen des klimaschädlichen Gases. Es bietet Lebensraum für viele Arten und Nahrung und Schutz auch für den Menschen. Der gesunde Boden bietet gesunde, vielfältige Nahrung und ein Leben in und mit diesen Systemen würde sogar die mentale Gesundheit der Menschen fördern. Ein Agroforst bringt also den Wald wieder auf's Feld. In kultivierter Form und wenig wild, aber dennoch mit unschlagbaren Vorteilen.

Was ist Wald-Feld-Wirtschaft?

Diese Form der Landnutzung hat ihren Ursprung in den Ländern, in denen ohne Schatten nichts wächst. Angelehnt an die natürlichen Schichten eines Regenwaldes wird unter hohe Bäume eine Strauchschicht und darunter eine Krautschicht gepflanzt. Manche Waldgarten-Systeme gehen soweit, auch die Wurzelschicht und Kletterpflanzen mit einzubinden, in der Landwirtschaft muss meist vereintfacht werden, sodass auch oft nur Bäume und Feldfrüchte genutzt werden. Beispielsweise werden Ananas, Mais oder Hülsenfrüchte in der Strauchschicht unter Kakaopflanzen gepflanzt, die wiederum von Mangos oder Bananen verschattet werden. Die Art der Kultur muss dem jeweiligen Standort gut angepasst werden, das Prinzip bleibt gleich. In Europa kennen wir die Streuobstwiesen als uralte Form der Agroforstwirtschaft. Aber auch Weinbauern arbeiten in Italien und Frankreich mit Bäumen, um ihre Reben zu schützen, während in Griechenland eher die Hühner geschützt werden. Durch Olivenbäume, die keine Greifvögel durchlassen. In asiatischen Ländern werden Bäume (typischerweise Teak) zur Holzgewinnung u. a. für die Herstellung von Papier und Wertholz zwischen die Ackerfrüchte gesetzt ("Taungya"). Egal wo, egal wie im Detail, grundsätzlich sind immer folgende Punkte zielgebend:

  • Verbesserung des Bodens: Humusaufbau, CO2-Bindung, Rückhalt von Nährstoffen und Wasser

  • Erhöhung der Klimaresilienz: Wasserrückhalt, langfristige Erhöhung des Grundwasserspiegels, Verdunstungsschutz durch Verschattung der Ackerkulturen, Schutz vor Starkregen, Wind und Hochwasser

  • Verbesserung des Ressourceneinsatzes: Kulturabhängig ist eine deutliche Arbeitsersparnis möglich, mittelfristiger Abbau des Dünger- und Pestizideinsatzen (Nährstoffeintrag durch hohes Biomasseaufkommen, weniger Schädlinge durch die Ansiedlung von Fressfeinden)

  • Etablierung von Kreislaufsystemen

  • Verbesserung des Flächenertrages durch Ausnutzung der Höhe, weiterer Kulturen und Wertschöpfungsketten (von Wertholzerzeugung über Wildkräuter oder Schnaps ist alles möglich)

  • Verbesserung der Qualität der Erzeugnisse: Dank des stabilen Agroforstsystems kann auf Gifte auf dem Feld ganz oder weitestgehend verzichtet werden

  • Verbesserung der Planungssicherheit durch langfristig stablie, flexible Systeme

  • Verbesserung des Landschaftsbildes

  • Verbesserung des betrieblichen Stands im Markt: Zeitgemäße, klimafreundliche Bewirtschaftung bindet Kunden und hebt von der Konkurrenz ab

  • In den Tropen: Wilder Holzschlag wird durch die eigene Holzerzeugung vermindert, Tiere finden Schatten und Nahrung unter Bäumen.

Dies findet je nach Land natürlich unter mehr oder auch weniger Druck statt. So stehen in afrikanischen Ländern die Möglichkeiten, die eigene Familie durch einen erhöhten Ertrag zu ernähren und den Regenwald vor Rodung zu schützen natürlich im Vordergrund, während Pioniere hierzulande sicher einerseits pragmatisch-ideologische Ziele verfolgen, andererseits aber auch auf neu spürbare Klimaereignisse reagieren müssen, ohne direkt von Hunger bedroht zu sein.


Wegen dieser verschiedenen Motivationen, den vollkommen unterschiedlichen klimatischen Verhältnissen wie auch den regional variierenden Ressourcen und Grenzen, wäre an dieser Stelle eine Auflistung von Pflanzbeispielen nicht sinnvoll. Für den kleinen, privaten Waldgarten unserer Region allerdings findet Ihr im Blog die ersten Artikel. Ich finde das Thema Waldgarten und Agroforst so spannend und zukunftsweisend, dass ich hierzu noch einige weitere Infos veröffentlichen werde. Deshalb hoffentlich bis bald, Lena


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